„Kultur ist wie eine dünne Firnis, die sich sehr leicht in Alkohol auflöst.“ Besonders bei Bier trifft das zu. Warum Wein zur Hochkultur passt liegt vielleicht daran, dass er Farbe hat und somit die Firnis zwar auflöst aber einen Schleier zurücklässt. Bei mir hat Bier gestern jedenfalls sehr schnell meinen Anspruch an Kultur auf dem Schwein gehabt-Festival (Alter Schlachthof KA) weggespült. Zuviel Verschiedenes was man so als Kulturzeug bezeichnet, zu viele alte Leute, zuviel gewollter „Anspruch“. Bilder und Installationen aus Licht waren mir zu leise, alternde Mediterran-Rocker zu lahm. Also doch noch ab aufs KOHI-OpenAir am Werderplatz. Wo wegen dem Jubiläum der Raum weggelassen wird, kann auch mal die Kultur außen vorbleiben dachte ich mir. Vor dem Laden war ne klitzekleine Bühne aufgebaut auf der sich gerade drei Rockabillies abmühten. Geile Show von THE SEDUCERS, alle drei singen und die Outfits passen zum Stil (GarageBeat?!). Kuck ich mir gerne wieder an (sie waren wohl auch schon öfter im KOHI zu Gast).
Danach wurde es noch spannender: FIJI aus der Schweiz waren als „nächtelanges Fremdgehen“ angekündigt und enttäuschten nicht. Eine Mischung aus Synthiepop, Dance und EBM lasziv dargeboten in europäischer Sprachvielfalt. Mich verwunderte zutiefst die angeregte Diskussion vor allem bei meinen weiblichen Bekannten, ob es sich bei der Sängerin tatsächlich um eine Frau handelt. Ich dachte es wäre eindeutig, dass sich hier ein Männlein auslebt. Im Nachhinein muss ich zugeben, dass ich Frau De Lorenzi unrecht getan habe. Ich bin bei der Recherche auf sehr weibliche Bilder gestossen. Ihr Silberblick lässt sich übrigens mit einem Glasauge erklären. Mein Tipp zum reinhören: „Ulla“. Zum Tanzen hat das Duo und ihr Beat jedenfalls animiert. Merci!
Dann war gerade so 12, also weiter in den Keller der Nicht-Kultur. Die Marktlücke bietet einen Dancefloor mit Standrad-Disco-Programm, nicht übertrieben junges Publikum und die Möglichkeit zum Indoor-Rauchen. Man muss sich drauf einlassen, da waren wir uns einig und haben dann ganz gut weitergehechelt. Als irgendwann die richtig assigen Partyschinken liefen (LaBamba), wurde es bedenklich. Dank der Hartnäckigkeit meines Namensvetters haben wir uns also rausgedrückt und obwohl wir bis zur Bahn auf nur noch drei Köpfe eingedampft waren ging’s zurück zum Alten Schlachthof. Genauer in die Alte Hackerei. Rock, Punk, Pop, Kraftwerk, Trio, Rage. Wir waren endlich angekommen! Ich und mein Crossbuster-Shirt. Zuerst erzählte mir deswegen Frankie mitten auf der Tanzfläche von seinem krassen Geburtstag in einem amerikanischen Edelpuff, wo auch ein Bad Religion-Song geplayed wurde. Und dann bekam ich noch ne nette Anekdote von nem Typ erzählt, der sich mit 16 selbst ein Crossbuster-Shirt gemalt hatte und im Cluburlaub mit den Eltern angesprochen wurde ob er denn aus „Bad Relligion“ komme. Ich fühlte mich wohl und hoffe in nächster Zeit öfter dort zu sein. Gegen fünf machten auch die Schlachter dicht, war aber OK, hatte sie mir doch mehr Bier und auch meinen Glauben an die Kultur wiedergegeben.