Das Wacken des Südens. Größer als BurningMan. 365 Tage im Jahr. Die ganze Stadt ist in Festivalstimmung. Alle hausen vor sich hin, fristen ihr Dasein biertrinkend auf abgelutschten Gartenmöbeln dem Abend entgegen, wenn die Sonne schwächer und die Musik lauter wird. Heftiges Treiben herrscht vor allem entlang der zur Hauptbühne („city“) hin. Hier herrscht auch die beste Infrastruktur, denn die meisten Festivalbesucher müssen arbeiten, um sich dauerhaft ihr Ticket für dieses Großereignis leisten zu können. Also verkaufen sie ihren Kameraden und Kameradinnen aus ihren Verschlägen reichlich Bier, Essen, selbstgebasteltes Merchandise, Waren des täglichen Bedarfs, Möbel und Pflanzen für den eigenen camping ground. Sie reparieren ihre Mopeds, Nähmaschinen und Zähne unter freiem Himmel. Sie fahren sie in Bussen näher an die Bühnen, pflegen ihre Haustiere und verbrennen ihren Müll. Weshalb auch der typische Mief dann und wann aufkommt. Gemischt mit oberirdischer Abwasserentsorgung, aufgewirbeltem Staub und dem Duft unzähliger Holzkohlegrills ergibt sich ein einzigartiges Aroma.
Etwas ruhiger geht es in den Seitengassen zu. Hier kann man gemütlich an einer improvisierten Theke chillen oder im Schatten der Mangobäume abcornern. Nur am allgegenwärtigen Müll erkennt man, das man sich noch immer auf einem Festival befindet, auf dem kaum einer an Morgen zu denken scheint. Alle sind einfach nur glücklich dabei sein zu dürfen.
Wegen der Dauerhaftigkeit lebt hier keiner mehr im Zelt. Je nach Geldbeutel und Länge des Aufenthalts (manche sind schon ihr ganzes Leben hier) kommt man in einem guesthouse oder Hotel unter. Wer sich das nicht (mehr) leisten kann, errichtet sich eine eigene Baracke oder Villa, die man wirklich so nebeneinander findet.
Bei dieser ganzen Geschäftigkeit bleibt für einen täglichen Besuch der großen Konzerte kaum Zeit und Energie. Viele Ouager verlassen also ihren „secteur“ nur sporadisch um Kollegen zu besuchen oder doch einmal einem headliner zu lauschen. So verlief auch mein erster Abend auf dem Ouagen recht gemütlich: Nach einer abendlichen Promenade haben wir in einer Tanzbar Fußball geschaut. Die Bayern flogen 0:4 aus der Championsleague.
Die Veranstalter sehen das Ouagen als vollen Erfolg an. Es wird ja auch von Jahr zu Jahr größer. Die Stimmung ist einzigartig entspannt, sodass viele gar nicht mehr nach Hause wollen bzw. das Ouagen zu ihrem Zuhause erklären. Es ist eine echte Perspektive für sie diesen livestyle langfristig zu pflegen. Allerdings müssen sich die Oberen gerade in der heutigen Zeit die Frage nach der Nachhaltigkeit gefallen lassen. Wie bleibt das Ouagen attraktiv und tragfähig? Immer höhere Eintrittspreise können nicht die Lösung sein. Steht die Einführung von Müllpfand bevor? Auch das haben schon andere versucht. Mit marginalem Erfolg. Am Ende musste doch die Putzkolonne drüber. Aber hier gibt es kein Ende, kein tabula rasa. Man muss die Leute mit ins Boot holen. Schon jetzt geben viele Stammgäste alles, um das feeling zu erhalten. Hauen echt rein, leben Ouaga! Wachstum gegenüber sind sie aufgeschlossen, aber die Festivalleitung ist aufgerufen diese Entwicklung in sinnvolle Bahnen zu lenken:
- Lösung des Müll- und Abwasserproblems (Tonnen aufstellen, Recycling anstreben, bis dahin: zyklische zentrale Feuer wie beim BurningMan?)
- Dezentralisierung des line-ups (vlt durch wechselnde Hauptbühnen in den verschieden Sektoren)
- mehr Schatten im Außenbereich
- ausreichend saubere Dixies (oder erstmal überhaupt welche)
Wenn sich etwas tut, komme ich wieder, vielleicht auch für länger. Nächste Stippvisite ist im August, wieder nur zur Durchreise, aber ich werde berichten. Rock on, Ouaga!