Aufn letzten Drücker noch einen recht guten Platz bekommen, Brezn und Rothaus eingefahren und ab geht die Show! Die Biographie Rio Reisers und seiner Band ging sich an wie eine Doku: Chronologisch korrekt wurden von den beiden Erzählern entscheidende Stationen der Bandgeschichte vorgetragen, welche von kleinen Szenen und den passenden Musikstücken untermalt wurden. Die Songs waren zum Teil neu arrangiert (u.a. ergänzt um die Erzähler an Violone und Cello), die Schauspieler beherrschten ihre Instrumente wirklich und so kam tatsächlich ein wenig Konzertstimmung auf. Durchaus hörenswert.
Das nervöse Mädel neben mir konnte die Pause wohl nicht abwarten. Andererseits war sie noch aufgedrehter als sie zurückkam und spielte Drumsoli auf ihren Oberschenkeln. Dass ich dieser Szene beiwohnen durfte, verdanke ich allerdings nur der Intervention einer mir unbekannten Dame, die glaubwürdig bezeugte, ich sei kurz vor ihr raus zum Rauchen. Die Kartenkontrolltussi hätte mich sonst eiskalt im Regen stehn lassen, weil mein Kittel samt Karte noch oben im Saal waren. Wäre der Verlust der 2. Jacke innerhalb von 10 Tagen gewesen!
Zurück auf meinem Platz erhob sich auch sogleich der Vorhang. Also von der Bühne, nicht von meinem Platz. Die zweite Hälfte widmete sich der Komunenzeit der Scherben in Fresenhagen, ihrem Auseinanderbrechen [sic!] unter Claudia Roth (Die Grüne) und der Solokarriere Rios.
Beim Tiefpunkt seiner Laufbahn – König von Deutschland – wurde vom Publikum phrenetisch mitgeklatscht, und das obwohl der Hauptdarsteller so wunderbar den Selbstekel des Barden bei der Nummer darstellte. Ich fühlte mich unweigerlich an meine eigene Fassungslosigkeit erinnert, wenn RATM in hiesigen Discotheken läuft.
Danach ging’s dann aber auch recht schnell. Rio starb 1996 während einer Tournee. Trauer. Vorbei. Junimond überm Orchestergraben. Wie bei einem richtigen Rockkonzert gab es jedoch ein Revival in Form einer Zugabe nach dem ersten Applaus. Die größten Hits inkl Freispiel und Keine Macht für Niemand wurden noch einmal vom Ensemble auf der Showtreppe zelebriert. Ganz zum Schluß, nach dem zweiten Applaus, das von mir ersehnte Halt dich fest – solo am Klavier. Tempomäßig etwas verhunzt aber immerhin (besser, zumindest bis Minute 7).
Das Stück ist eine gelungene musikalische Huldigung an Rio und Band, wobei mir die politische Wirkung der Jungs etwas verneidlicht und – nachlässigt vorkommt. Die Solidarität zum Publikum etwa was die Eintrittpreise angeht, wird durch die Intervention von Claudia Roth doch sehr durch den Kakao gezogen. Dennoch: Sollte demnächst nochmal Dylan im Staatstheater laufen, werd ich mir auch dieses Musical-Biopic ansehen.